Ursprung des Gebets

Ursprung des Bruder Klaus Gebets

Das Bruder Klaus Gebet erlaubt tiefe Einblicke in das Verständnis von Niklaus von Flüe als Mystiker und Gottsucher. Es fehlt in keiner ihm geweihten Kirche oder Kapelle. Selbst wenn wenig Platz für eine Lebensbeschreibung vorhanden ist, wird es zitiert. In der reformierten wie der katholischen Kirche der Schweiz ist es das am häufigsten gesungene Kirchenlied (Suisa, 2014).

Die hohe Wertschätzung für das kurze, einprägsame «Gebet um Gelassenheit» (Pirmin Meier) zeigt sich auch darin, dass es Eingang in den (katholischen) Weltkatechismus gefunden hat. Es steht unmittelbar vor dem weit berühmteren Gebet «Nada te turbe …» von Teresa von Avila.


Bruder Claussen gewohnliches gebeth um 1500

«O myn got unde min here nym mich mir und gyb mich gancz zcu eygen dyr.»
«O myn got und myn here nym von myr alles das mich hynert gegen dyr.»
«O myn got unde myn here gyb myr alles das mich furdert zu dyr. Amen.»

Die massgebliche Studie zu «Klausens gewonlich bet» stammt von Prof. Heinrich Stirnimann op von 1981. Besonders bemerkenswert ist, dass die bei weitem populärere Version des Gebets nicht den ältesten Fassungen entspricht:

Ältere Version
Mein Herr und mein Gott,
nimm mich mir und gib mich ganz zu eigen dir.

Mein Herr und mein Gott
Gibt alles mir, was mich fördert zu dir.

Mein Herr und mein Gott,
nimm alles von mir, was mich hindert zu dir.

Jüngere Version
Mein Herr und mein Gott,
nimm alles von mir, was mich hindert zu dir.

Mein Herr und mein Gott,
gib alles mir, was mich fördert zu dir.

Mein Herr und mein Gott,
nimm mich mir und gib mich ganz zu eigen dir.


Jüngere Version des Gebets ist eingängiger, die ältere sperriger

Die jüngere Version ist eingängiger, meist wird diese verwendet.
Sie entspricht dem dreistufigen Weg der Mystik:

Erste Bitte:
Stufe der Reinigung «Nimm alles von mir»
Sie gehört zum anfangenden Menschen.
Zweite Bitte:
Stufe der Erleuchtung «Gib alles mir»
Sie gehört zum zunehmenden Menschen.
Dritte Bitte:
Stufe der Vereinigung «Nimm mich mir und gib mich ganz zu eigen Dir»
Sie gehört zum vollkommenen Menschen.

Die ursprüngliche, ältere Version ist sperriger. Sie entspricht aber dem effektiven Lebensweg von Niklaus von Flüe. Sein Wille, sich ganz Gott zu übergeben, führt zu einem schmerzhaften, sicherlich auch demütigenden Scheitern. So will er als Pilger fortziehen, kehrt aber schon bald wieder zurück.